Mitwisser
17.11.2019
Ergänzung
Sie wollten schon immer wissen, wer eigentlich diese Mitwisser sind oder waren?
Nichts einfacher als das: im Aufklärungsbericht vom Juni 2018 kann man nachlesen, dass die Gremien der Brüdergemeinde zu jeder Zeit über die Vorfälle in den Kinderheimen Bescheid wussten.
Jetzt müssen Sie nur noch nachschauen, wer seit den 50er Jahren bis etwa 2004 Mitglied eines dieser Gremien war. Das sind diejenigen, die man laut Aufklärungsbericht als Mitwisser bezeichnen muss.
Wir wissen schon von mehr als 25 Täterinnen und Tätern in den Korntaler Heimen. Wir wissen auch, dass einige von Ihnen durchaus entdeckt wurden.
Was geschah nach der Entdeckung? Was wurde getan und was wurde versäumt?
Für die Täter wurde viel getan. Man schützte sie vor Strafverfolgung, man schüchterte Eltern und Kinder ein, um Strafanzeigen zu vermeiden. Man ermöglichte den Tätern, neue Arbeitsstellen, neue Opfer zu finden.
Was wurde für die Opfer getan? Hat man den betroffenen Kindern Therapien verschafft? Wohl nicht, sonst hätte womöglich der Therapeut Anzeige erstattet.
MITWISSER ?
Nein: UNTERSTÜTZER muss man sie nennen. Sie haben zugesehen, geduldet, geschwiegen, Personen eben nur mal versetzt, mitverdient. Manche von ihnen managen heute die Aufarbeitung. In wessen Sinne werden sie das tun? Nun, zwei Jahre Pause wurden schon organisiert (2015 und 2016).
Mittlerweile (Sommer 2017) hat sich herausgestellt, dass die Mitwisser-Gruppe größer ist als zunächst vermutet. In einem ersten Statement haben die Aufklärer gegenüber dem ARD-Magazin Report Mainz festgestellt, dass die Gremien der Brüdergemeinde und der Diakonie von vielen Übergriffen in den Heimen und in der Schule Kenntnis hatten. Wurde ein Täter überführt, hat man ihn vielfach nicht der Polizei übergeben, sondern ihn an andere Heime weitergereicht, und dies im Wissen, dass dort weitere Übergriffe befürchtet werden müssen.
Am Ende der Aufarbeitung will die Brüdergemeinde ja die Namen der Täter nennen, zumindest ist dies wiederholt angekündigt worden. Die Namen der Mitglieder in den Gremien sind bekannt, sie waren zu jeder Zeit öffentlich. Jeder, der wissen will, wer zu diesem Kreis von Personen gehört (oder gehörte), kann sich selbst informieren.
Mitwisser-Gruppe 1
Um die Jahrtausendwende herum wurden mindestens zwei Täter entdeckt und an andere Arbeitsstellen weiter gereicht. Die damals Verantwortlichen in Heim und Gemeinde
- haben das mitbekommen,
- haben die Behörden nicht informiert,
- haben Angehörige der Opfer zum Stillschweigen überredet,
- haben sich nicht um die Opfer gekümmert,
- haben in Kauf genommen, dass die Täter im folgenden Arbeitsverhältnis weitere Taten begehen,
- haben somit auch weitere Opfer (anderswo) bewusst in Kauf genommen
- schweigen bis heute darüber
- nehmen Einfluss auf den Aufarbeitungsprozess
Im Protokoll des Heimopfertreffens am 28.03.2015 wird dieser Personenkreis explizit angesprochen. Eine Aufklärung seitens der Steuerungsgruppe wurde zugesagt, über das Thema wurde auch in der Presse berichtet. Seitdem ist nichts geschehen, auch weitere Nachfragen (zuletzt im veröffentlichten Protokoll des Heimopfertreffens am 01.08.2015) bleiben unbeantwortet. Man darf daraus schließen, dass diese Personengruppe die Fäden des Aufarbeitungsprozesses fest in der Hand hält und dass dies auch so gewollt ist. Diejenigen, die Täter gedeckt haben und ihr Wissen über die Täter bis heute hüten, profilieren sich jetzt als angebliche Spezialisten für Aufarbeitung und sogar Prävention.
Fazit:
Die Zusagen der Steuerungsgruppe vom 28.03.2015 sind bis heute (September 2015) nicht eingelöst, Nachfragen nicht beantwortet. Eine Aufarbeitung, die von jahrelangen Mitwissern selbst gesteuert werden darf, ist nicht unabhängig und neutral, Ergebnisse sind angreifbar und werden damit wertlos. Dass die eigentliche Aufarbeitung bis heute nicht wirklich begonnen hat bzw. aus endlosen Ankündigungen besteht, ist angesichts der handelnden Personen hingegen logisch, das Motto der "Selbstaufklärer" lautet: Zeitgewinn.
30.11.2015
Wie wird die Lösung aussehen? Um sich diesem Problem nicht stellen zu müssen, wird die Sprecherin der Steuerungsgruppe der Brüdergemeinde wahrscheinlich demnächst die Arbeit der Steuerungsgruppe für beendet erklären bzw. dieselben Personen werden in einem Arbeitskreis unter neuem Namen weitermachen, um wieder Zeit zu gewinnen. Dass Frau Prof. Wolff von der Brüdergemeinde u.a. auch dafür bezahlt wird, die Mitwisser zu schützen, ist ja logisch und nachvollziehbar. Dass sie fragliche Personen aber direkt in den Steuerungsprozess mit einbindet, kann letztlich die ganze Arbeit gefährden, wenn sich herausstellt, dass frühere Mitwisser selbst die Aufklärung gesteuert haben.
Mitwisser-Gruppe 2
hat teilweise hautnah miterlebt, wie Täterin 8 agiert hat. Diese Mitwisser sind heute schon älter, manche leben nicht mehr. Sie schwiegen über
- Prügelorgien,
- seelische Misshandlungen,
- sexuelle Übergriffe,
- Betrug am Eigentum der Kinder,
- haben sich nicht um die Opfer gekümmert,
- und schweigen auch heute darüber, obwohl sie nun keine Nachteile mehr befürchten müssten.
Mitwisser-Gruppe 3
Ein Schriftwechsel aus dem Sommer 1958:
ein Mitglied des Vorstands des "Vereins für Kindererziehungsheime Korntal und Wilhelmsdorf e.V." schreibt in einem Brief:
Zitat: Der Diakon XXX, Hausvater unseres Kinderheims in Wilhelmsdorf, teilte mir . . . folgendes mit:
Herr S., der Lehrer unserer Oberklasse, hatte mindestens zweimal ein 16-jähriges Mädchen, das uns vom Jugendamt wegen seiner Haltlosigkeit zugewiesen worden ist, bis in die frühen Morgenstunden auf seinem Zimmer, das erstemal bis 1/2 2 Uhr, letztesmal sogar bis 1/2 3 Uhr, wobei noch hinzukommt, dass in dieser Zeit das Licht gelöscht war. Da dieses Mädchen sich damit brüstete, daß es zwischen ihr und Herrn S. zu intimen Beziehungen gekommen ist und sie auch handfeste Beweise dafür lieferte, fühle ich mich veranlasst, Herrn XXX in seiner Eigenschaft als XYZ und XYZ Mitteilung davon zu machen und verlangte, dass dieses Mädchen unser Haus verlassen solle. . . . . .
(Kommentar: nicht der Lehrer, sondern die Minderjährige sollte das Haus verlassen.)
Das Original-Dokument liegt vor.
Mitwisser-Gruppe 4
Auch Geistliche der Landeskirche hatten offensichtlich Kenntnis von den Korntaler Zuständen, ein Pfarrer aus Ditzingen ist bisher belegt. Sollten sich diese Informationen bestätigen, müsste die Württ. Landeskirche - insbesondere das Dekanat in Ditzingen - überlegen, ob sich die seitherige "neutrale" Haltung aufrecht erhalten lässt.
Anm. . . wobei sich eine "neutrale Haltung" der Geistlichkeit im Kirchensprengel gegenüber Missbrauchsopfern durchaus hinterfragen lässt. Ist die seitherige "Neutralität" womöglich einer Mitwisserschaft geschuldet? Es war ja bisher noch nicht einmal eine Äußerung des Entsetzens oder wenigstens Bedauerns zu vernehmen.